Die Parodontologie ist ein im besten Sinne konservatives Gebiet, weil Therapie und Prophylaxe stets auf eine lange Zeitspanne ausgelegt sind. Und doch so dynamisch! Der Fokus liegt einmal auf mechanischen, ein andermal auf biologischen oder digitalen Strategien, im Speziellen auf der Laserzahnheilkunde oder auf einer Kombination. Wie die eigene Praxis zum Erfolg gelangt, zeigt dem Team dNA.
In der klassischen professionellen Parodontalprophylaxe und ‑therapie ist die manuelle Instrumentierung von befallenen Taschen indiziert und gegebenenfalls ein chirurgisches Vorgehen. Was vor Jahrzehnten richtig war, ist auch heute nicht verkehrt, doch kommen kontinuierlich weitere Optionen hinzu.
Mikroorganismen bestimmen und gezielt ausschalten
Warum nicht einfach biologisch vorgehen? Gensonden unterscheiden entzündungsfördernde Mikroorganismen immer feiner. Bestimmte Testkits identifizieren gleichzeitig mehrere Parodontitis-Keime (z.B. A. actinomycetemcomitans, P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola [Untch, 2015]) und bestimmen zusätzlich die Gesamtkeimzahl. Neben Chairside-Analytik können auch auf die Zahnarztpraxis spezialisierte mikrobiologische Labor-Services in Anspruch genommen werden. Umfangreichere Tests umfassen dann zum Beispiel zusätzlich zu den genannten Keimen auch P. intermedia, E. nodatum, P. micra, F. nucleatum/periodonticum, C. rectus, E. corrodens und Capnocytophaga spec. [www.micro-ident.de]. Dabei hat der Zahnarzt die Wahl zwischen einer Poolprobe (Gesamtsituation des Parodonts) und einer Einzelstellenanalyse (Situation in einer bestimmten Tasche).
Eine langfristige Parodontalrisiko-Abschätzung für den einzelnen Patienten lässt sich ebenfalls vornehmen. Einen Ansatzpunkt stellt die genetische Prädisposition dar (z.B. Polymorphismen in den Genen der Interleukin-1-Genfamilie). Freilich muss auf die Komplexität dieser Materie hingewiesen werden: Sage und schreibe fast 30 Prozent aller bekannten menschlichen Gene werden vom Einsetzen einer Gingivitis bis zum Heilungsprozess in veränderter Weise exprimiert [Offenbacher, 2009]. Immerhin konnten schon einige Parodontitis-Risikogene identifiziert und als solche validiert werden [Schäfer, 2015], was auf therapeutische Chancen hoffen lässt. Zur Komplexität trägt des Weiteren bei, dass sich (potenziell) pathogene Mikroorganismen in einem Biofilm anders verhalten als in isolierter Form (z.B. quorum sensing [www.thieme.de]).
Auswertung großer Datenmengen eröffnet neue Chancen
Bei mikrobiologischen und genetischen Analysen fallen naturgemäß sehr große Datenmengen an. Durch immer leistungsfähigere Verfahren zu ihrer Auswertung können Forscher aus der Dentalindustrie die praxisrelevanten Informationen genauer herausfiltern und für Therapie und Prophylaxe nutzbar machen.
Bereits heute eröffnet „Big Data“ in einem anderen Bereich der Prophylaxe enorme Chancen: bei modernen Zahnbürsten. Denn sie reinigen nicht nur, sondern können auch Informationen zum Putzverhalten des betreffenden Patienten sammeln und auswerten. An der Universität Greifswald wurden bereits im Rahmen einer Studie mit Bewegungsmeldern ausgerüstete Zahnbürsten eingesetzt [www.zm-online.de]. Sie glichen die aufgezeichneten Putzbewegungen mit dem „Ideal“ ab und gaben via Smartphone-App Rückmeldung an den Patienten.
Unter Einsatz dieses Konzepts konnten bei Kindern über mehrere Wochen signifikante Lerneffekte beobachtet werden. In ähnlicher Weise sind bei einer Reihe von Zahnbürsten Monitoring-, Feedback- und Trainingsfunktionen integriert. Damit rückt eine systematische Verbesserung des Putzverhaltens näher. Gleichzeitig treten Zahnpasten mit neuen antibakteriellen Wirkstoffkonzentrationen (SnF2, SnCl2) an, das Zahnfleischbluten und generell Zahnfleischerkrankungen zu reduzieren [Gerlach, 2018].
Literatur
Untch M, Schlagenhauf U: Inter- and intra-test agreement of three commercially available molecular diagnostic tests for the identification of periodontal pathogens. Clin Oral Investig 2015 Feb 15. [Epub ahead of print]; PubMed PMID: 25680706
https://www.micro-ident.de/produkte/micro-ident-und-micro-ident-plus/welcher-test/5-oder-11-bakterien (Zugriff am 17.1.2019)
Offenbacher S et al.: Gingival transcriptome patterns during induction and resolution of experimental gingivitis in humans. J Periodont 2009;80(12);1963-1982
Schäfer A, Dommisch H, Jepsen S: Neue Aspekte der Parodontitis. Genetische Risikofaktoren. zm2015;105(12A):1-8
https://www.thieme.de/de/zahnmedizin/antibiotikatherapie-55291.htm (Zugriff am 17.1.2019)
Höfer M, Alkilzy M, Treuner A, Splieth C: Kariesprophylaxe mit der App. https://www.zm-online.de/archiv/2017/12/zahnmedizin/kariesprophylaxe-mit-der-app/seite/alle (Zugriff am 16.1.2019)
Gerlach RW, Amini P, wie zitiert in: Keine Mundgesundheit ohne gesundes Zahnfleisch: Oral-B bringt innovative Spezialzahncreme gegen Zahnfleischprobleme auf den Markt. dental:spiegel 2018(10);54